Kredittragbarkeit: Wieviel Kredit ist gesund?

Daniel Christen - 08.07.2021
Wieviel Kredit ist gesund?

Symbolbild: Tragbarkeit als Balanceakt (Quelle: David Hofmann, Unsplash)

Wieviel Kredit Ihr KMU gesund verdauen kann ist wichtig zu wissen, bevor Sie auf Kreditsuche gehen. Denn jeder Finanzierungsgeber wird die Tragbarkeit eines Kredits für Ihren KMU prüfen. Besser, wenn man da versteht, um was es geht, sonst kommt Ihr KMU aus der Balance.


 

Autor:   Daniel V. Christen

 


Wenn Sie für Ihren KMU auf Kreditsuche sind, müssen Sie wissen, wieviel Kredit Ihr KMU wirklich verträgt: Erhalten Sie zu wenig Kredit, dann können Sie das geplante Projekt nicht oder nur teilweise umsetzen. Ihr KMU wird nie vom vollem Projektnutzen profitieren und Sie verschenken so Potenzial Ihres KMU. Bei zu viel Kredit werden Sie grösste Mühe haben, den Kredit mit Zinsen zurückzuzahlen. Sie müssen Ressourcen anderswo abziehen und können auch nicht mehr alles Potenzial Ihres KMU realisieren.

 

1. Was ist die Tragbarkeit eines Kredits?

Sie müssen aufgrund der gegenwärtigen und zukünftigen Vermögens- und Ertragssituation Ihres KMU während der gesamten Laufzeit des Kredits in der Lage sein, die Kreditsumme samt Zinsen fristgerecht und vereinbarungsgemäss zurückzuzahlen.

Die Tragbarkeit eines Kredits hat also zwei wichtige Elemente: Die Vermögens- und Schuldenverhältnisse in der Bilanz einerseits. Sowie die Ertrags- und Aufwandsituation in der Erfolgsrechnung andererseits. Beide müssen ausbalanciert sein.

 

2. Kennzahlen der Tragbarkeit eines KMU-Kredits

Es gibt zwei entscheidende Kennzahlen, ob Ihr KMU die Zinsen für den Kredit wird tragen können: Der operative Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Rückstellungen («Earnings before Interest, Taxes, Depreciation, Amortisation» EBITDA). Und der Cash Flow, das aus dem operativen Geschäft erwirtschaftete Bargeld. Denn es ist entscheidend, ob genügend Barmittel erwirtschaftet werden, um die Zahlungen für Zinsen und Rückzahlungen zu leisten. Denn dem KMU dürfen nie die Zahlungsmittel für die Begleichung all seiner Verpflichtungen ausgehen.

Wie berechnet man diese beiden Kennzahlen (siehe unseren früheren Artikel zu Kennzahlen) und was ist der empfohlene Wert als Zeichen für gute Tragbarkeit?

EBITDA:
Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen, Rückstellungen : (Kredite + Kreditzinsen)
Empfohlener Wert: 3 – 4x die Kreditsumme mit Zinsen

Cash Flow:
(Liquiditätswirksamer Ertrag – liquiditätswirksamer Aufwand) : (Kredite + Kreditzinsen)
Empfohlener Wert: 2 – 3x die Kreditsumme mit Zinsen

 

3. Wie können Sie die Tragbarkeit selbst berechnen?

Die Tragbarkeit von Rückzahlung der Kreditsumme mit Zinsen muss der KMU dem Kreditgeber in einer Tragbarkeitsrechnung nachweisen. Diese basiert auf Budgets, Mittelflussrechnungen und Liquiditätsplänen.

Nehmen Sie dazu die Erfolgsrechnungen der letzten zwei Jahre und verknüpfen Sie diese durch eine «Mittelflussrechnung» mit den Bilanzen der letzten 2 Jahre. Brechen Sie alles auf Quartale – besser noch Monate – herunter. Ihr Treuhänder ist Ihnen dabei sicher behilflich, wenn es zu aufwändig wird. Nun stellen Sie für das aktuelle, laufende Jahr das Budget ebenfalls als Erfolgsrechnung dar.

Mit wenigen Annahmen über den Verlauf des Umsatzes aus dem Geschäft und den entsprechenden Aufwänden können Sie nun mehr Jahre hinzufügen und erhalten eine Planerfolgsrechnung. Fügen Sie nun in denjenigen Perioden die Aufwände und Erträge des zu finanzierenden Projekts in die Planerfolgsrechnung ein, in denen diese tatsächlich anfallen. Die meisten dieser projektbezogenen Posten sind ja in bar zu berappen und das sollten Sie nun via die Mittelflussrechnung auch beim Stand der Zahlungsmittel in der Bilanz sehen. Fügen Sie jetzt in der Mittelflussrechnung die Ein- und Auszahlungen aus der Kreditfinanzierung hinzu.

Wenn alles stimmt, sehen Sie in der Erfolgsrechnung den EBITDA als Gradmesser, ob die Zinszahlungen tragbar sind. Und in der Mittelflussrechnung ersehen Sie aus dem Cash Flow, ob auch die Zins- und Rückzahlungen – neben allen anderen Zahlungsverpflichtungen Ihres KMU – noch tragbar sind. Die Zahlungsmittel dürfen NIE  ausgehen, sonst sind Sie zahlungsunfähig. Verändern Sie also die Annahmen und Zeitpunkte von Ein- und Auszahlungen realistisch so lange, bis Sie immer genügend Zahlungsmittel haben. Haben Sie das erreicht, steht die Tragbarkeit der Finanzierung fest.

Sie haben für Ihren KMU eine saubere Investitionsrechnung desjenigen Projekts erstellt, welches den Finanzierungsbedarf überhaupt auslöst (lesen Sie dazu unseren früheren Artikel zu Investitionsrechnung)? Dann ist es für Sie nun ein Kinderspiel, die Tragbarkeitsrechnung für Ihre Kreditanfrage selbst zu erstellen und gleich mit der Finanzierungsanfrage zusammen einzureichen. Damit Ihre Kredittragbarkeit gut ausbalanciert ist.

 

5 Tipps für eine gute Tragbarkeit eines gesunden Kredits

1. Machen Sie Ihre Hausaufgaben, bevor Sie sich extern auf Kreditsuche begeben: Eine saubere Investitionsrechnung und eine Darstellung deren anfänglichen Belastungen und späteren Zusatzeinnahmen (oder Einsparungen) hilft Ihnen in der Führung Ihres KMU und dem Management Ihres Investitionsprojekts. Viele dieser Informationen sind dann ganz leicht für die Tragbarkeitsrechnung im Finanzierungsantrag verwendbar.

2. Bitten Sie Ihren Treuhänder um Unterstützung, sollte das Verknüpfen von Erfolgsrechnung und Bilanz durch eine Mittelflussrechnung und die Darstellung als Planrechnung zu aufwändig werden.

3. Es gibt keine einheitlichen Regeln für die Tragbarkeit von KMU-Krediten wie bei Hypotheken. Nutzen Sie deshalb diesen Spielraum und definieren Sie «Tragbarkeit» für Ihren KMU und das zu finanzierende Projekt gleich selbst. Der Kreditgeber muss Ihnen dann etwas anderes beweisen.

4. Seien Sie proaktiv und zeigen Sie den angefragten potentiellen Kreditgebern schon mit der Finanzierungsanfrage, wie und dass der Kredit für Ihren KMU absolut tragbar ist.

5. Holen Sie mehrere Finanzierungsofferten ein, so lassen Sie die Konkurrenz spielen. Gerade weil jeder Finanzierungsgeber bei KMU-Krediten weniger regulatorische Vorgaben zur Berechnung der Tragbarkeit einzuhalten hat als bei Hypotheken, lohnt es sich besonders.

P.S. Hätten Sie es gewusst?

Wenn die Zinszahlungen Aufwand sind, warum sind dann die Kreditrückzahlungen nicht auch Aufwand? Die Antwort ist einfach: Das Erhalten eines Kredits ist ja kein Ertrag, denn es ist unmittelbar noch kein Profit damit verbunden, einen Kredit zu erhalten. Deshalb ist auch die Rückzahlung des Kredits kein Aufwand, da damit ja auch kein Verlust einhergeht. Kredit erhalten und zurückzahlen findet also nur in der Bilanz statt. Die Zinszahlungen hingegen verbinden die Aufwandseite der Erfolgsrechnung sehr wohl mit den Zahlungsmitteln auf der Aktivseite der Bilanz. Und das muss für den KMU (er-)tragbar sein.